Review
Nach der großartigen Show in Hamburg am 27.10. war mir sofort klar: Wenn sich die Chance noch einmal bietet, Myles Kennedy mit seinem Soloprojekt live zu erleben muss ich dort hin. So war es nun am 19.11., als wir spontan beschlossen haben, nach Frankfurt zu fahren, um das Konzert im Zoom Club zu besuchen.
Frankfurt hat sich an diesem Tag von seiner herbstlich/winterlichen Seite gezeigt und es regnete fast den gesamten Tag. Vom Besuch in Hamburg wusste ich bereits, dass sich frühes Erscheinen lohnt, da das Publikum bei Myles Kennedy offenbar gerne etwas früher von der Couch, dem Bürostuhl oder wo auch immer sie herkamen, aufsteht, um sich einen guten Platz zu sichern. Dafür nahmen wir also mehr oder weniger gerne eine Dreiviertelstunde Wartezeit im Regen in Kauf. Das Sicherheitspersonal hatte leider kein Einsehen und es wurde erst um 19 Uhr die Tür geöffnet. Die Gäste, die sich das VIP-Paket geleistet hatten, durften bereits beim Soundcheck am Nachmittag dabei sein und hatten sich mit ihrem Aufpreis auch das Recht auf einen Platz unter dem Vordach des Clubs im Trockenen gesichert, während wir im Regen in der Schlange warteten. Als VIP wäre das nicht passiert. Als die Türen endlich aufgingen, stürmten alle schnellstmöglich in den Club, um sich die besten Plätze zu sichern. Die Getränkepreise schlugen etwas teurer, aber noch/ auch im aktuellen Normalbereich zu Buche (Bier 0,4 L: 5,50 €;Softdrinks 0,3 L: 4,- €, 0,4 L: 5,- €; Pfand 2,- €). Der Konzertsaal war sehr geräumig und fächerförmig von der Bühne aus aufgebaut. Im hinteren Bereich gab es noch einen etwas erhöhten Bereich.
Um 19:55 betraten Cardinal Black als Support die Bühne. Die Gruppe aus Wales spielte in Frankfurt zum ersten Mal auf der aktuellen Tour als Support. Die Gruppe spielte langsamen, aber sehr gefühlvollen Alt-Rock. Die Stimme von Sänger Tom Hollister fühlte sich an wie ein weiches Kissen, in das man sich hineinlegen möchte, um sich zu entspannen. Dazu ergänzten sich die gefühlvollen Gitarrensoli von Chris Buck, der darin teilweise förmlich versinken kann. Es war kein Feuerwerk, aber es war ein schönes Konzert, das an einen gemütlichen Abend bei guter Musik erinnert und gut auf den ebenfalls in vielen Facetten gefühlvollen Myles Kennedy eingestimmt hat.
Um kurz nach 21 Uhr kamen dann der Alter Bridge-Frontmann und seine beiden Bandkollegen Tim Tournier und Zia Uddin unter lautem Gejubel hinter dem Vorhang hervor auf die Bühne. Wer die Konzerte von Myles Kennedy kennt, weiß, dass hier keine Moshpits entstehen und auch nicht viel gehüpft wird. Auch deshalb ist es wichtig, sich frühzeitig einen Platz zu suchen, von dem aus man das Konzert genießen möchte. Das Publikum bestand aus Besuchern aller Altersklassen, die gemeinsam diesen Ausnahmekünstler gefeiert haben. Das ist schon etwas besonderes.
Der Gig wurde mit dem Titeltrack des neuen Albums „The Art of Letting Go“ eröffnet, direkt gefolgt von „Nothing more to gain“. Das Publikum war von Anfang an bei den Sing-a-longs dabei und sang bzw. klatschte mi. Die Anfeuerungen, dass das Publikum mitklatschen soll, brauchte es fast nicht, da in den entsprechenden Passagen die meisten schon von sich aus mitmachten. Die Setlist wechselt jeden Abend ein wenig und unterschied sich daher auch zu dem Gig, den ich bereits in Hamburg gesehen habe. Gemein haben alle Gigs jedoch einen Wechsel aus gefühlvollen und druckvolleren Songs, sowie einen Akustikpart im Mittelteil. Der Fokus lag ganz klar auf dem aktuellen Album, aber auch fast genauso viele Songs entstammten dem 2018 erschienenen „Year of the Tiger“, in dem Kennedy den Tod seines Vaters im Jahr 1974, dem Jahr des Tigers, verarbeitet und das die erste Solo-LP für ihn darstellte.
Vom aktuellen Album sind die Hits meiner Meinung nach inzwischen „Mr. Downside“ und das sehr auf das ausdefinierte Gitarrenspiel von Kennedy ausgerichtete „Behind the Veil“. Bei letzterem merkt man auch klare Einflüsse von dem Zusammenspiel mit Slash in seinem anderen Projekt „Slash feat. Myles Kennedy & the Conspirators“. Beide Songs waren auch in Frankfurt Teil des Sets.
Im Solo-Akustikteil spielte der Frontmann mit „All ends well“ spontan ein Cover seiner Band Alter Bridge, obwohl auf den ausgedruckten Setlists noch „The Trooper“ vorgesehen war und stellt seinen Guitar Tech vor eine kurze Herausforderung. Direkt im Anschluss folgte das gefühlvolle „Love can only heal“, an dessen Ende auch Schlagzeug und Bass wieder einsetzten.
Als es gerade komplett still war, rief ein Fan hinter mir Richtung Bühne „I want a Child from you!“. Myles lachte und erwiderte: „I don‘t know how that would work – physically. If you know something I don’t, let me know” Beide lachten und der Mann aus dem Publikum ergänzte noch ein lautes “I love you” woraufhin sich Myles herzlich bedankte. Das war ein witziger sowie schöner Moment.
Kurze Zeit später ließ sich ein Crowdsurfer vor der Bühne hochheben, was sicherlich bei den beiden einzigen Security Mitarbeitern vor der Bühne kurz für Schweißperlen auf der Stirn gesorgt hat. Aber er wurde weg von der Bühne durch den Raum gereicht. Myles lachte und feuerte die Menge an, dass sie den Crowdsurfer nicht fallen lässt und bis zum anderen Ende des Raumes befördert, was dann auch passierte.
In der Zugabe kam wie schon häufig auf der Tour der kraftvolle Song „Say what you will“ und schickte alle mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause. Nach dem Song verteilten Myles und Tim noch Plektren während Zia seine Drumsticks ins Publikum warf. Einen steckte er auch einem jungen Fan direkt zu. Auch Ich konnte auch einen Drumstick für meine Sammlung ergattern. Nachdem ich zunächst danebengegriffen habe und der Stick von meinem Kopf abgeprallt ist, hat mir der freundliche Fan, der ihn aufgehoben hat, diesen doch überlassen. Nett zu fragen hat sich in diesem Fall bezahlt gemacht.
Fotos
Setlist
- The Art of Letting Go
- Nothing More to Gain
- Devil on the Wall
- A Thousand Words
- Mr. Downside
- Tell It Like It Is
- Behind the Veil
- All Ends Well
- Love Can Only Heal
- Wake Me When It’s Over
- Miss You When You’re Gone
- Year of the Tiger
- Get Along
- In Stride
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- Say What You Will